Welche Symptome haben Kinder mit Beta-Thalassämie?
Beta-Thalassämie kann eine Vielzahl von Symptomen bei Kindern verursachen. Die Krankheit stört die Produktion von Hämoglobin, einem Eiweiß in den roten Blutkörperchen, das Sauerstoff transportiert.
Zu den häufigsten Symptomen gehören:
chronische Müdigkeit
Blässe
verminderte körperliche Leistungsfähigkeit
vergrößerte Milz und Leber
langsameres Wachstum und andere Entwicklungsverzögerungen
Wenn die Thalassämie schwer verläuft oder unbehandelt bleibt, können auch Gelbsucht, Knochenverformungen und eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen auftreten. Unbehandelt können diese Komplikationen auch lebensbedrohlich sein. Deshalb ist eine zeitnahe Diagnose der Thalassämie wichtig, um möglichst früh mit einer Behandlung zu beginnen.
Warum erkrankt ein Kind an Thalassämie?
Die Beta-Thalassämie ist eine genetisch bedingte Krankheit, die von den Eltern vererbt wird. Kinder müssen sowohl von ihrer Mutter als auch von ihrem Vater das defekte Thalassämie-Gen erben, um zu erkranken. Wenn beide Elternteile das Gen tragen, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind an der schweren Form der beta-Thalassämie erkrankt, 25 Prozent. Erfahre im verlinkten Beitrag mehr über die Formen und Vererbung der Thalassämie.
Wie wird Thalassämie bei Kindern behandelt?
Wenn bei Deinem Kind eine Beta-Thalassämie major festgestellt wurde, solltest Du schnellstmöglich einen Termin in einem spezialisierten Behandlungszentrum machen. Hier findest Du eine Übersicht der pädiatrischen Behandlungszentren in Deutschland, die mit der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) zusammenarbeiten. Ein erfahrenes Team aus Ärzt:innen, Krankenpfleger:innen, Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und Krankengymnast:innen wird sich um die Behandlung Deines Kindes kümmern und den Krankheitsverlauf im Blick behalten.
Standardtherapie (symptomatische Therapie)
Wahrscheinlich wird es bei der Behandlung Deines Kindes zunächst darum gehen, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu verhindern. Eine der wichtigsten Behandlungsmethoden dafür sind regelmäßige Bluttransfusionen, um den Hämoglobinspiegel im Blut zu erhöhen und die Sauerstoffversorgung des Körpers zu verbessern.
Durch die regelmäßigen Bluttransfusionen und dadurch, dass der Körper versucht die Anämie auszugleichen und vermehrt Eisen über die Nahrung aufnimmt, sammelt sich zu viel Eisen im Körper an (Eisenüberschuss). Das überschüssige Eisen lagert sich in den Organen ab und kann sie dadurch schädigen. Deshalb bekommen die kleinen Patient:innen nach einiger Zeit mit regelmäßiger Transfusionstherapie auch Medikamente (Eisenchelatoren), die einen Überschuss an Eisen wieder aus dem Körper ausschleusen sollen.
Um die Blutbildung zu unterstützen, können außerdem Folsäurepräparate verschrieben werden.
Heilende Therapiemöglichkeiten
Die Behandlung der Symptome heilt die Beta-Thalassämie nicht. Die derzeit noch einzige, allen Patient:innen bei Vorliegen der notwendigen medizinischen Voraussetzungen zur Verfügung stehende Möglichkeit der Heilung ist die Stammzelltransplantation. Dafür müssen jedoch einige Bedingungen erfüllt sein, wie:
Es braucht eine:n Spender:in mit HLA-identischen Stammzellen: Das sind Menschen mit gleichen Gewebemerkmalen wie der/die Patient:in. Mit 25-30 prozentiger Wahrscheinlichkeit kommen Geschwister infrage, aber auch nicht-verwandte Menschen haben manchmal identische HLA-Merkmale.
Die Erfolgsaussichten einer Stammzelltransplantation sind am größten bei Kindern unter 16 Jahren ohne Komplikationen und Begleiterkrankungen.
Es sollte nicht mehr als einer der folgenden Risikofaktoren vorliegen: vergrößerte Leber, bestehende Leberschäden oder eine unzureichend kontrollierte Eisenbelastung.
Perspektivisch wird es zusätzlich für einige Patient:innen im Alter von mindestens 12 Jahren die Möglichkeit einer sogenannten Gen-editierenden Therapie geben. Diese wurde im Februar 2024 in Europa zugelassen. Derzeit werden in den verschiedenen europäischen Ländern, so auch in Deutschland, die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, diese Therapieform in der Versorgung der Betroffenen einsetzen zu können.
Wie funktioniert der Übergang von der Kinder- in die Erwachsenenversorgung?
Der Übergang von der Kinder- zur Erwachsenenversorgung, auch „Transition“ genannt, ist eine entscheidende Phase in der medizinischen Begleitung Deines Kindes. Er kann sowohl für das Kind als auch für die Eltern eine Herausforderung sein. Eine sorgfältige und frühzeitige Planung hilft dabei, dass der Übergang gut gelingt und der Behandlungsverlauf nicht gestört wird.
Jugendliche kann es verunsichern, wenn sie ihre vertrauten kinderärztlichen Bezugspersonen verlassen und sich auf neue Ärzt:innen einlassen müssen. Der Wechsel zu neuen Ärzt:innen und Fachkräften kann belastend sein, sowohl für das Kind als auch für Euch als Eltern. Es ist wichtig, dass Dein Kind sich während dieses Übergangs unterstützt fühlt und dass das neue Behandlungsteam einfühlsam und verständnisvoll ist.
Auch Unterschiede in der Behandlung und Betreuung zwischen Kinder- und Erwachsenenmedizin können bei dem Wechsel eine Rolle spielen. Die Behandlungen können sich je nach Alter und Entwicklungsstadium unterscheiden. So gibt es zum Beispiel einige Medikamente, die erst ab 18 Jahren zugelassen sind und mit dem Wechsel in die Erwachsenenmedizin für Menschen mit Thalassämie infrage kommen.
Ein weiterer Aspekt ist die wachsende Selbstständigkeit und Eigenverantwortung Deines Kindes. Während es erwachsen wird, wird es mehr Verantwortung für seine medizinische Versorgung übernehmen wollen – und auch müssen. Das kann die Verwaltung von Terminen, die Einnahme von Medikamenten und die Überwachung der Symptome umfassen. Zunächst braucht Dein Kind dabei sicher noch Deine Unterstützung. Deshalb solltet Ihr schon ab etwa 14 Jahren anfangen, Euer Kind in alle Prozesse um seine Erkrankung einzubeziehen und Eigenverantwortung zu üben.
Zusätzlich können auch emotionale und psychosoziale Herausforderungen eine Rolle spielen. Der Übergang vom Kind zum Erwachsenen ist allgemein bei Teenagern – auch ohne eine schwere Krankheit – meist nicht einfach: Ängste, Unsicherheiten, körperliche Veränderungen und intensive Gefühle machen das Leben in dieser Zeit oft kompliziert. Wenn sich dann noch die Routine und die Ansprechpersonen in Bezug auf eine Erkrankung ändern, mit der man plötzlich viel eigenständiger umgehen soll, kann das auch mal holprig werden. Sei geduldig mit Deinem Kind und unterstütze es dabei, sich mit seinen Gefühlen und Herausforderungen auseinanderzusetzen.
Damit der Wechsel gut klappt, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kinderärzt:in, den Eltern, den neuen Ärzt:innen und dem Kind entscheidend. Es ist wichtig, diesen Übergang frühzeitig mit dem Behandlungsteam zu planen. Es kann hilfreich sein, die einzelnen Schritte gemeinsam in einem sogenannten Transitionsplan festzulegen.
Beginne etwa schon früh damit, gemeinsam mit Deinem Kind nicht-pädiatrische Hämatolog:innen zu kontaktieren. So habt Ihr Zeit, eine Praxis oder Klinik zu finden, die Erfahrungen mit Thalassämie hat und bei der Dein Kind sich wohlfühlt. Viele Zentren haben Kontaktlisten für solche niedergelassenen hämatologischen Praxen. Wenn der oder die neue Ärzt:in gefunden ist, macht es Sinn, die medizinischen Unterlagen frühzeitig zu übertragen und über die Anpassung der Behandlungsmethoden zu sprechen. So kannst Du Versorgungslücken oder Unsicherheiten für Dein Kind vermeiden.
Vielen Jugendlichen helfen auch Gespräche mit anderen Betroffenen, die in einer ähnlichen Phase sind oder waren. Im verlinkten Beitrag findest Du Patientenorganisationen, die eine gute Anlaufstelle sein können, um Kontakte zu knüpfen.
Manchmal ist auch professionelle psychologische Unterstützung sinnvoll und nötig. Sprich darüber mit Deinem Kind und lasst Euch bei Interesse ärztlich beraten.
Kann man mit Thalassämie Kinder bekommen?
Du wünschst Dir ein Baby? Auch mit einer major-Form der beta-Thalasämie können Frauen schwanger werden. Allerdings wird es möglicherweise nicht ganz so einfach, da die Erkrankung und einige Medikamente die Fruchtbarkeit beeinflussen können.
Bei einem Kinderwunsch solltest Du frühzeitig mit Deiner hämatologischen und gynäkologischen Praxis darüber sprechen, was zu beachten ist. Vielleicht kommt etwa eine künstliche Befruchtung für Dich infrage.
Wenn beide Partner Träger der beta-Thalassämie sind, kann das Kind eine schwere Form der beta-Thalassämie bekommen. Das Risiko dafür liegt dann bei 25%. Wenn einer der beiden Partner eine major-Form hat, liegt die Wahrscheinlichkeit sogar bei 50%, dass auch das Kind eine major-Form bekommt. Deshalb ist es wichtig, dass Ihr beide wisst, ob ihr Träger seid. Sprecht mit Euren Ärzt:innen und nehmt eine genetische Beratung wahr. Diese wird von der Krankenkasse übernommen.
Wenn beide Elternteile Betroffene oder Träger der Thalassämie sind und es zu einer Schwangerschaft kommt, habt Ihr die Möglichkeit einer Pränataldiagnostik, wobei der Fötus im Mutterleib auf eine Thalassämie major getestet wird. Auch das besprecht Ihr am besten mit Euren Ärzt:innen.
Bei einer Schwangerschaft mit Beta-Thalassämie kann es zu Komplikationen kommen, deshalb ist es notwendig, dass die werdende Mutter hämatologisch und gynäkologisch gut betreut und der Verlauf der Schwangerschaft sorgfältig überwacht werden. Vielleicht sind häufigere Transfusionen notwendig. Die Chelattherapie sollte am Anfang der Schwangerschaft abgesetzt werden. In der späteren Schwangerschaft kann dann, je nach Schwere der Eisenüberladung, wieder eines der drei normalerweise verfügbaren Medikamente zur Chelattherapie gegeben werden. Besondere Aufmerksamkeit bei der Überwachung ist auf die Kontrolle der Herzfunktion und auf das Risiko der Entwicklung eines Diabetes zu legen. All diese Fragen sollten unbedingt bei Kinderwunsch schon vor einer Schwangerschaft mit einer erfahrenen Hämatolog:in ausführlich besprochen werden.
Auch Frauen, die nur die Trägerform, also eine minor-Thalassämie, haben, können in der Schwangerschaft eine stärkere Blutarmut entwickeln, die in einzelnen Fällen auch Bluttransfusionen nötig machen kann.
Mehr zum Thema findest du auch hier:
Herausforderungen für Jugendliche mit Beta-Thalassämie
Quellenangaben
Bolton-Maggs, P. H. B. (2007). Transition of care from paediatric to adult services in haematology. Archives of Disease in Childhood, 92(9), 797–801. Verfügbar unter https://adc.bmj.com/content/92/9/797, abgerufen am 22.05.2024.
Cario, H., Andres, O., Hoferer, A., Liner, M. S., Schmugge, M., Sillaber, C., & Wörmann, B. (2022). Beta Thalassämie. Abgerufen am 18.10.2024 von https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/beta-thalassaemie/@@guideline/html/index.html
Cario, H., Grüneberg, I., Tallen, G., & Creutzig, U. (2024). Kinderblutkrankheiten: Thalassämie. Abgerufen am 22.05.2024 von https://www.kinderblutkrankheiten.de/erkrankungen/rote_blutzellen/anaemien_blutarmut/thalassaemie/
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. (2023). S1-Leitlinie Thalassämien. Abgerufen am 22.05.2024 von https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-017.html