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Thalassämie, Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel: Worauf soll ich achten?

AUTOR*IN
Sophie Kristin Schäfer (TAKEPART Media + Science GmbH)
DATUM
06.11.2024

Mit einer ausgewogenen und bewussten Ernährung, die Deinen Körper mit wichtigen Nährstoffen versorgt, kannst Du Deine Gesundheit neben der medizinischen Behandlung unterstützen. Wichtig ist, dass es nicht die „eine” Ernährung gibt, die für Menschen mit Thalassämie richtig ist. Faktoren wie Dein Alter, Deine Thalassämie-Form und Dein Lebensstil haben Einfluss darauf, wie die für Dich beste Ernährung aussieht. Ob Du zum Beispiel Eisen einnehmen solltest, hängt wesentlich davon ab, ob Du von einer Thalassämie minor, intermedia oder major betroffen bist und ob sie mit Transfusionen behandelt wird oder nicht. Dieser Artikel bietet Dir Informationen zum Zusammenhang von Thalassämie und Eisen sowie allgemeine Empfehlungen und Tipps für die Ernährung mit Thalassämie.

Thalassämie und Eisen

Sowohl bei der major- als auch bei der intermedia-Variante der Thalassämie werden durch einen Gen-Defekt weniger funktionsfähige rote Blutkörperchen gebildet. Deshalb kommt es zu einer Blutarmut (Anämie). Der Körper versucht, dieser Blutarmut entgegenzuwirken, in dem er über den Darm mehr Eisen aus der Nahrung aufnimmt – denn Eisen spielt eine wichtige Rolle bei der Blutbildung. Mithilfe des zusätzlichen Eisens sollen mehr rote Blutkörperchen gebildet werden. Da das aber das ursächliche Problem durch den Gen-Defekt nicht löst, bleibt die Blutarmut bestehen und es kommt zu einer Eisenüberladung des Körpers.

Eisen kann nur in geringen Mengen über sich ablösende Darm- und Hautzellen ausgeschieden werden. Der Rest lagert sich in Organen ab, etwa dem Herzen, der Leber oder Milz und schadet ihnen. Um Komplikationen zu vermeiden, behält Dein Behandlungsteam den Eisenspiegel im Blick. Dazu wird das sogenannte Ferritin (oder der Ferritin-Wert) als Ausdruck des Ausmaßes des Eisens im Körper bestimmt. Wenn dieser eine bestimmte Höhe erreicht, ist eine Behandlung nötig, um den Eisenwert im Körper zu senken. Bei Menschen mit transfusionsabhängigen Thalassämien beginnt die Therapie der Eisenüberladung zeitnah nach den ersten Bluttransfusionen, da durch die Transfusionen große Mengen Eisen in den Körper gelangen.

Sollte ich bei Thalassämie Eisen nehmen

Die Einnahme von Eisen bei Menschen mit einer Thalassämie ist aufgrund der Eisenüberladung in den meisten Fällen nicht sinnvoll. Unter bestimmten Umständen können aber auch Menschen mit Thalassämie unter einem Eisenmangel leiden und deshalb auf Eisenpräparate angewiesen sein. Es ist immer sinnvoll, mit Deinen Ärzt:innen darüber zu sprechen und Deinen Eisenwert prüfen zu lassen, bevor Du Eisenpräparate einnimmst.

Thalassämie minor und Eisenmangel

Wenn Du mit Thalassämie minor lebst, kannst Du milde Symptome einer Blutarmut entwickeln, wie etwa Müdigkeit, Blässe und Abgeschlagenheit. Dazu kommt gar nicht so selten ein Eisenmangel. In diesen Fällen ist die Einnahme von Eisen sinnvoll. Besonders während Wachstumsschüben bei Jugendlichen und während der Schwangerschaft sollte der Eisenwert im Blick behalten werden, da es gerade dann zu einem Eisenmangel kommen kann.

Nicht-transfusionsabhängige Thalassämie intermedia

Bei der nicht-transfusionsabhängigen intermedia-Variante der Thalassämie nimmt der Körper krankheitsbedingt mehr Eisen auf als üblich. Um einer Eisenüberladung entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, auf eisenreiche Lebensmittel und Fertigprodukte zu verzichten. So wird Dein Körper nicht weiter durch zusätzlich über die Ernährung aufgenommenes Eisen belastet.

Transfusionsabhängige Thalassämie: Wenn die Eisenaufnahme egal ist

Wenn Du eine transfusionsabhängige intermedia- oder major-Variante hast, unterstützt die Chelattherapie die Eisenausscheidung in Deinem Körper. Die durch die Transfusionen zugeführte Eisenmenge ist so groß, dass Du das über die Nahrung aufgenommene Eisen nicht unbedingt berücksichtigen musst.

Eisen im Essen und Trinken

Bei Eisen aus der Nahrung geht es für Menschen mit Thalassämie um das richtige Gleichgewicht. Deshalb ist eine regelmäßige Kontrolle des Eisenwerts wichtig, um Behandlung und Ernährung entsprechend anzupassen und so, je nach Thalassämie-Variante, einen Eisenüberschuss oder –mangel und deren Folgen zu vermeiden.

Eisen kommt in unserem Essen in zwei Formen vor: dem Häm-Eisen und Nicht-Häm-Eisen. Häm-Eisen kann im Dünndarm gut aufgenommen werden. Ein Teil des Nicht-Häm-Eisens, das auch wiederum in verschiedenen Formen vorkommt, muss erst in Häm-Eisen umgewandelt werden und wird deshalb schlechter absorbiert. Häm-Eisen kommt nur in tierischen Produkten vor. Pflanzliche Produkte liefern dagegen nur Nicht-Häm-Eisen.

Besonders eisenhaltige Nahrungsmittel sind Fleisch, Fisch, Bohnen, Nüsse und Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen und Kichererbsen. Eisenarm sind dagegen viele Obst- und Gemüsesorten sowie bestimmte Getreidearten.

Wie gut Dein Körper Eisen aufnimmt, wird von weiteren Nahrungsbestandteilen beeinflusst. Sogenannte Phytane, die in allen Getreidesorten, Hülsenfrüchten, Samen und Nüssen enthalten sind, verringern die Eisenaufnahme. Dasselbe gilt für polyphenolische Pflanzenstoffe, die Du etwa in Tee, Kaffee, Kakao, Rotwein und einigen Obst- und Gemüsesorten findest. Darüber hinaus hemmen auch Sojaproteine und kalziumhaltige Lebensmittel wie Joghurt, Tofu, Käse oder grünes Blattgemüse die Aufnahme von Eisen. Den gegenteiligen Effekt, nämlich die Verbesserung der Eisenaufnahme vor allem von Nicht-Häm-Eisen, hat Vitamin C, das zum Beispiel in Paprika enthalten ist. Die Wirkung dieser Nahrungsbestandteile auf die Eisenaufnahme sollten allerdings nicht überschätzt werden – eine eisenhaltige Ernährung kann zum Beispiel nicht durch den Konsum von kalziumhaltiger Kost ausgeglichen werden.

Folsäure bei Thalassämie

Folsäure ist ein wichtiges Vitamin für die Blutbildung, kann aber nur in kleinen Mengen im Körper gespeichert werden. Sind die Folsäurespeicher leer, kann der Körper keine Blutkörperchen mehr bilden und es kann zu einer Anämie kommen. Um die Blutbildung bei Menschen mit Thalassämie zu unterstützen, kann deshalb eine Supplementierung sinnvoll sein. Vor allem bei der nicht-transfusionsabhängigen Thalassämie intermedia wird Folsäure oft zusätzlich eingenommen, teils auch bei der minor-Variante. In jedem Fall wird Frauen mit Kinderwunsch empfohlen, Folsäure einzunehmen, um einem Mangel vorzubeugen. Neben der Thalassämie ist das auch für die Entwicklung des Kindes wichtig, da ein Folsäuremangel in der Schwangerschaft das Risiko für Fehlbildungen des Babys erhöht. Besprich mit Deinem Behandlungsteam, ob die Einnahme von Folsäure in Deinem Fall sinnvoll ist und wenn ja, in welcher Dosierung.

Ernährung bei Thalassämie: Was soll ich essen?

Um Deinen Körper bestmöglich zu unterstützen, kann eine individuelle Ernährungsberatung sinnvoll sein. Sprich am besten mit Deinem Behandlungsteam darüber, welche Ernährung für Dich besonders geeignet ist sowie ob und welche Nahrungsergänzungsmittel für Dich Sinn ergeben. Ein paar Tipps als grundlegende Orientierung:

  • Eine Ernährung reich an Vitaminen und Mineralstoffen unterstützt das Immunsystem und die allgemeine Gesundheit. Besonders wichtig sind Vitamin D und Kalzium, da sie die Knochengesundheit unterstützen. Denn Menschen mit einer Thalassämie entwickeln als Folge oft Knochenschwund (Osteoporose), der die Knochenmasse verringert, so dass die Knochen leichter brechen.

  • Eine ausreichende Zufuhr von Eiweißen ist wichtig, da sie für den Erhalt und das Wachstum der Zellen sorgen. Eiweiße spielen eine Rolle für die Sauerstoffversorgung, den Muskelaufbau, die Gewebereparatur und die Bildung von Antikörpern, also für das Immunsystem. Gute Eiweißquellen sind Fisch, Geflügel, Eier, Nüsse und Hülsenfrüchte.

  • Ausreichendes Trinken von Wasser oder ungesüßten Tees ist essenziell, um den Körper in seinen Prozessen zu unterstützen und die Nierenfunktion zu fördern. Das ist besonders bei der Chelattherapie wichtig. Zum einen unterstützt das die Arbeit von bestimmten Eisenchelatoren, um Eisen auszuscheiden. Zum anderen ist das wichtig, um der bei einzelnen Chelatbildnern in seltenen Fällen zu beobachtende Erhöhung von Nierenwerten entgegenzuwirken.

  • Zigaretten und Alkohol erhöhen das Risiko für Begleiterkrankungen wie Osteoporose und verstärken die Probleme durch den Eisenüberschuss. Vor allem der Konsum von Alkohol in Kombination mit einem Eisenüberschuss kann die Leber stark belasten.

Falls Du überlegst, Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, solltest Du das mit Deinem Behandlungsteam absprechen, um eine unnötige Einnahme oder sogar schädliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden. Mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung ist die Versorgung mit Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen in der Regel gut abgedeckt. Ob Dir bestimmte Vitamine oder Mineralstoffe fehlen, kann mit einer Blutuntersuchung bestimmt werden.

Zusammenfassung

Neben einer guten medizinischen Betreuung kannst Du mit einer auf Deine Bedürfnisse angepassten Ernährung Deine Lebensqualität positiv beeinflussen. Nahrungsergänzungsmittel ersetzen weder eine ausgewogene Ernährung noch eine medikamentöse Behandlung. Es kann allerdings im Zusammenhang mit Deiner Erkrankung zu Mangelerscheinungen kommen, die ausgeglichen werden sollten.

Du solltest Deine Eisenwerte im Blick behalten. Bei den transfusionsabhängigen Thalassämie liegt früher oder später ein Eisenüberschuss vor, der behandelt werden sollte. Hier braucht nicht in besonderem Maße auf den Eisengehalt der Nahrung geachtet werden. Bei der nicht-transfusionsabhängigen intermedia-Variante kann dagegen eine eisenarme Ernährung Sinn ergeben. Menschen, die mit der Thalassämie minor leben, können dagegen unter einem Eisenmangel leiden, gerade während Wachstumsschüben im Jugendalter oder in einer Schwangerschaft.

Was die Versorgung mit Vitaminen und Mineralien angeht, sollte vor allem auf Folsäure geachtet werden. Denn Folsäure ist wichtig für die Blutbildung, kann aber nur in kleinen Mengen vom Körper eingelagert werden. Du solltest nicht ohne Rücksprache mit Deinen Ärzt:innen Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Insgesamt ist es immer sinnvoll, wenn Du Dich ausgewogen und reich an Vitaminen und Eiweißen ernährst und genügend Wasser trinkst.

Quellenanagaben

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